Berufung aus wissenschaftlicher und existenzieller Perspektive
Nach dem sehr allgemeinen Blick auf Sinn und Hoffnung(slosigkeit) – siehe Teil 1 in Vernetzt März 2025 – beschäftigte uns die Frage:
Wie gibt Christsein meinem Leben Sinn?
Wieder standen persönliche Zeugnisse am Anfang, die sich mit den drei Fragen auseinandersetzen mussten:
- Welchen Stellenwert hat das Christsein in meinem Leben?
- Gibt es Sinn und warum?
- Erlebe ich in meinem Christsein einen Sinn und wie antworte ich darauf?
Es wurde deutlich, dass Veränderungen lebendig bleiben lassen und dass das Aufbauen von Netzwerken sehr wichtig ist. Das Gebet wurde öfter als treibende Kraft erlebt.
Prof. Br. Dr. Stefan Walser OFMCap, Universität Bonn, DE konfrontierte uns mit der Frage: Ist man frei, wenn man einem Ruf folgt?
In seinem Vortrag „Berufung zwischen Vorherbestimmung und Selbstverwirklichung“ machte er deutlich, dass Berufung kein „Malen nach Zahlen“ ist. Es geht nicht darum, dass ich das Bild entdecke, das Gott von mir hat. Dann wäre Berufung vorherbestimmt. Gott entscheidet, was ich werden soll. (Hält Gott sich an die Bedingungen, die die Kirche stellt? Warum sind seine Zeichen so schwer erkennbar? …) Wo ist meine menschliche Freiheit? Warum sind dann Umwege so schwer nachvollziehbar? Auch die Gefahr des Machtmissbrauches ist gegeben (Gott kennt den Plan für dein Leben. Du kennst ihn noch nicht. Vielleicht kann dir jemand helfen, der ihn besser kennt?)
Stattdessen ist Berufung eine bedeutsame, sinnvolle Weise der Selbstverwirklichung.
Was brauche ich, damit es mir gut geht und ich ein sinnvolles Leben führen kann?
Berufung ist eine Einladung zur Fülle (Innerweltlich-immanente Fülle oder religiös-transzendente Fülle), zur Agape (Es geht um eine Liebe, die nicht aus mir heraus entsteht, sondern die mich erfasst, von der ich eingenommen werde.), zur Authentizität (Treue zu sich selbst) und zum Leben in meinen Landschaften (biografisch, sozial, spirituell, … mit den entsprechenden Werten, …), die mir Raum geben, mich Fragen zu stellen mit Bezug auf das, was gut oder schlecht ist, was sich zu tun lohnt und was nicht, was für die betreffende Person Sinn und Wichtigkeit hat. (Puzzleteile nach Charles Taylor)
Ein zweiter Vortrag stellte uns Prof. Dr. Saskia Wendel, Universität Tübingen, DE Berufung als Empowerment am Beispiel der Mystikerinnen vor Augen.
Was hat vor allem Mystikerinnen die Kraft gegeben, in das schriftliche Teilen ihrer Erfahrungen zu kommen? Es gab zu ihrer Zeit das Verbot des öffentlichen theologischen Schreibens für Frauen. Dies wurde mit der Natur der Frau begründet. Die Mystik wurde als Nichtung des Selbst verstanden.
Was hat dann doch zum Schreiben ermächtigt?
Die Entdeckung des „Subjekts“, die Erhebung der Mägde „Denn auf die Niedrigkeit deiner Magd hast du geschaut“ (Lk 1,48) und die Erkenntnis, dass es um Erfahrungswissen und nicht Gelehrtenwissen geht.
Mit der synodalen Methode (vgl. Weltsynode: das Gespräch im Geist: aufmerksames Zuhören – absichtsvolles Sprechen – miteinander beten) tauschten wir über die Frage aus: Wie gibt Christsein meinem Leben Sinn?
Am Nachmittag gab es verschiedene Foren zu Begleitangeboten, sowie zur Vertiefung:
- Den Willen Gottes erkennen? Berufung als dreifacher Klang der einen Stimme Gottes
- Führen und geführt werden: Personalführung unter Berufungsaspekten nach Abschluss der Ausbildung
- Berufung und Vulnerabilität: Biblische Perspektive auf Berufungsereignisse
- Lebenslang!? Was sind Motive, eine Entscheidung, die ich getroffen habe beizubehalten bzw. zu verändern?
Treue ist kein statischer Begriff, sondern Ruf und Antwort sind immer wieder wahrzunehmen bzw. zu treffen.
Fortsetzung folgt.
Sr. Gudrun