Immer wieder hat mich die Frage beschäftigt, wie Jesus wurde, wie er ist. So wollte ich mich in meinen persönlichen Exerzitien damit auseinandersetzen und dann die Exerzitien im Alltag zu diesem Thema gestalten.
Ich begann mit: ZEITLOSER BEGINN – DIE WEISHEIT SPIELT VOR GOTT.
Gerade der zeitlose Beginn, wo Jesus selbst im NT, vor allem bei Johannes, zum Träger der göttlichen Weisheit wird, macht deutlich, dass Raum und Zeit an ihre Grenzen kommen. Die Weisheit (Jesus) ist bei Gott, als er dem Wasser seine Grenze setzt und die Grundfesten der Erde legt. Gott und Weisheit haben ein vertrautes Verhältnis zueinander, sie ist sein Liebling und spielt vor ihm allezeit.
WAHRES MENSCHSEIN BEGINNT. DAS WORT WURDE FLEISCH.
In der darauffolgenden Woche tauchten wir in die Zeit ein – Jesu Menschwerdung:
Wie die Weisheit ist Jesus das Licht, das in die Welt gekommen ist und unter den Menschen gewohnt hat. Wie die Weisheit ist er immer schon bei Gott, Himmel und Erde versöhnend, gewissermaßen Gottes verborgener Bauplan der Schöpfung. Als die Welt wurde, „war“ Christus schon. Das Wort war bei Gott und war Gott. Gott und das Wort (Jesus) sind nicht zu trennen.
Das nächste Thema führte uns zum 12 jährigen Jesus:
GLAUBE WÄCHST IM DIALOG. DER ZWÖLFJÄHRIGE JESUS IM GESPRÄCH
Im Gespräch mit den Schriftgelehrten im Tempel begegnet uns Jesus als wissbegieriger Teenager: Er sitzt bei ihnen, hört zu, stellt Fragen, beantwortet seinerseits die Fragen der Lehrer und beteiligt sich rege an dem Glaubensgespräch, das da geführt wird. Dass dabei die Rückreise mit den Eltern in den Hintergrund tritt, ist auch typisch für einen Teenager.
EHRLICHE BEGEGNUNG VERÄNDERT. EINE SYROPHÖNIZISCHE FRAU GIBT NICHT AUF.
Die vierte Woche konfrontierte uns mit einer radikalen Blickänderung Jesu. Eine heidnische Frau macht durch ihre Hartnäckigkeit deutlich, dass Jesus nationale und religiöse Grenzen überschreiten muss und darf. Er wird sich bewusst, dass er – zuerst ja –, aber nicht nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt ist, sondern dass er der Hirt aller Menschen und der Heiland aller Völker ist. So wird er der Messias der Welt und die Hoffnung der ganzen Erde.
ALLEIN MIT GOTT. JESUS BETET IM GARTEN GETHSEMANE.
Die letzte Woche führte uns nach Gethsemane. Das Mahl ist vorbei. In Brot und Wein hat Jesus seine Lebenshingabe angedeutet. In der Fußwaschung hat er gezeigt, wie sie miteinander umgehen sollen – sein Vermächtnis hat er weitergegeben. Jetzt braucht Jesus eine ganz persönliche Zeit mit seinem Vater. Auch wenn es seine Zeit ist, so will er nicht allein gehen und nimmt drei seiner ersten Jünger mit. Wir sehen hier einen zutiefst menschlichen Jesus. Er ist erschüttert. Was ihm bevorsteht, ist so unermesslich, dass auch ein Jesus nicht souverän – wie ein antiker Held – auf den Hügel von Golgatha zuschreitet.
Sr. Gudrun
Hier eine Rückmeldung von zwei Teilnehmenden:
Spannend und herausfordernd: Der Sohn Gottes erlebt eine Entwicklung, er verändert sein Denken, seine Haltung? Mit diesen Gedanken sind wir in die Exerzitien im Alltag gestartet. Begleitet von den Gedanken Sr. Gudruns, eingestimmt von den Liedern, die wir mit Sr. Elisabeth gesungen haben, und immer wieder beeindruckt von den Szenen, die Sr. Annemarie und Martina für die einzelnen Abende vorbereitet haben, wurden wir in diesen fünf Wochen angeregt, uns mit diesem Aspekt von Jesu Persönlichkeit und Leben auseinander zu setzen. In den Gesprächen in den Kleingruppen wurde manches dann noch klarer oder aber es eröffneten sich neue Gedanken und Überlegungen.
Zum Beispiel am 1. Abend die Wichtigkeit absichtslosen Daseins vor Gott und mitten im Leben die Bedeutung des Spielens und der Muße erkennen und verwirklichen.
Oder sich nach dem Vorbild der syrophönizischen Frau am 4. Abend nicht entmutigen zu lassen von scheinbaren Ablehnungen und verletzenden Zurückweisungen durch Mitmenschen, durch Lebensumstände oder sogar von Gott – wenn er nämlich unser Beten und Bitten scheinbar ignoriert.
So konnten wir uns in diesen fünf Wochen wieder neu ausrichten lassen zu einem tieferen Verständnis der Schrift und unseres Daseins.
Günter und Renate